Intervention beim MDR

przez Marek Błażejak

Beschwerde / MDR-Programmreihe "Polen und Holocaust" / Falsche Behauptungen

An:

Herr Walter Kehr
Hauptabteilungsleiter und Unternehmenssprecher
Mitteldeutscher Rundfunk
Leipzig

 

Sehr geehrter Herr Kehr,

ich nehme Bezug auf die Programmreihe vom MDR zum Thema Polen und Holocaust vom 18.04. und 21.04.2017 (MDR Aktuell und MDR Zeitreise) sowie die Internetbeiträge „Die vierte Phase des Holocausts" und „Mitschuld an der Massenvernichtung?“, die vor einigen Tagen auf der Internet-Seite vom MDR erschienen sind.

Als Vertreter der internationalen Organisation der polnischen Diaspora Polish Media Issues, die sich mit der Bekämpfung von verfälschten Berichterstattungen über die polnische Geschichte in den Medien beschäftigt, bin ich über die Behauptungen vom MDR, die Polen die Mittäterschaft am Holocaust unterstellen, zutiefst schockiert. Unsere Organisation protestiert auf das Schärfste gegen die unzulässigen Interpretationen von fragwürdigen Aussagen der Historiker und Journalisten und gegen die Relativierung der Rolle, die Deutschland an der industriellen Vernichtung der jüdischen Nation gespielt hat. Besonders prekär ist die Tatsache, dass solche Beiträge in öffentlicher deutscher Landesrundfunkanstalt entstehen und zwar in einem Bundesland, das für die rechtsradikalen Exzesse von zahlreichen Neonazi-Gruppierungen in Verruf geraten ist.

Der Historiker Zaremba liefert in Ihrem Interview "Die vierte Phase des Holocausts" fragwürdige Fakten und keine handfesten Beweise und Zahlen: (Zwischen Oktober 1939 und Sommer 1944 seien im Nazi-besetzten Polen 1.300 Deutsche getötet und mehr als 10.000 Juden ermordet oder an die Nazis ausgeliefert worden – und zwar von Polen. Auch wenn die "Hetz- und Jagdatmosphäre, die Toleranz für Mord" von den Nazis geschaffen worden sei, wie Zaremba hinzufügt. Er spricht vom starken polnischen Antisemitismus). Im zweiten Artikel von der MDR-Ostbloggerin Monika Sieradzka „Mitschuld an der Massenvernichtung?“, wo Zaremba ebenfalls zitiert wurde, steht wiederum widersprüchlich „Für viele Zuhörer sind seine Thesen ein Schock: Die Polen hätten im Krieg mehr Juden als Deutsche umgebracht“ (also nicht nur zwischen Oktober 1939 und Sommer 1944 wie im Interview mit Zaremba, sondern im ganzen Krieg … Zaremba behauptete jedoch im Interview, dass im ganzen Krieg Polen zwischen 20.300 und 27.300 Deutsche umgebracht haben und nicht 1.300). Die von Zaremba zitierte Zahl von 10.000 der angeblich von Polen umgebrachten oder an Deutsche verratenen Juden gibt keine Aufschlüsselung, wie viele Juden ermordet und wie viele von Polen an Deutsche verraten wurden, auch keine Erklärung, aus welchem Grund die Juden ermordet oder verraten wurden (aus Habgier, Haß oder vielleicht aus Angst vor Ermordung durch deutsche Besatzer oder wegen der extremen Armut und Gefahr des Hungertodes?). Es lässt sich also überhaupt nicht bestätigen, dass Polen mehr Juden als Deutsche ermordet haben, nicht in der Periode zwischen Oktober 1939 und Sommer 1944 und schon überhaupt nicht im gesamten Krieg. Die Behauptung ist falsch und basiert auf einer Manipulation mit Zahlen und Fakten. Das polnische Institut für Nationales Gedenken (IPN) hat seit Jahren mehrmals unterstrichen, dass die genaue Zahl der von Polen ermordeten oder verratenen Juden nicht ermittelt wurde (siehe z.B. Prof. Berendt für „Haaretz“, Februar 2017). Die Tatsache bleibt aber, dass Juden nicht nur durch Polen, sondern auch durch Judenräte, Judenpolizei oder Lagerkappos umgebracht oder an Deutsche verraten wurden. Sind diese Fakten auch in der Berechnung von Dr. Zaremba berücksichtigt? Auch zahlreiche Polen haben ihr Leben wegen der mit Sowjets kollaborierenden kommunistischen Juden verloren z.B. während des Pogroms an der polnischen Bevölkerung in Koniuchy. Darf man also behaupten, dass Juden eine Mitschuld an der Massenvernichtung von Polen tragen?

Die polnische Exilregierung hat im Gegensatz zu vielen damaligen Regierungen in Europa (Frankreich, Rumänien, Norwegien, Slovakei etc.) nie mit Nazi-Deutschland zusammengearbeitet. Die fast eine Millionen Mitglieder zählende SS hatte ca. 20% freiwillige ausländische Mitglieder, darunter aus den Ländern wie Italien, Finnland, Kroatien, Albanien, Rumänien, Ungarn, Belgien, Niederlanden, Frankreich, Dänemark, Norwegen, Schweden, Schweiz, Serbien, Estland, Lettland, Litauen, Sowjetunion (meistens ethnische Ukrainer), aber keine aus Polen. Der Versuch der Deutschen, eine Legion von 10.000 polnischen Góralen aus dem Karpatenvorland zu gründen, scheiterte. Die Verwaltung der deutschen Lager unterlag der Inspektion der Konzentrationslager, die dem SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt unterrordnet war. Die zentrale Inspektion der Konzentrationslager befand sich in Oranienburg, ca. 30 km von Berlin. Die direkte Aufsicht der Lager vor Ort wurde durch die speziell ausgebildeten SS-Einheiten s.g. SS-Totenkopfverbände und SS-Aufseherinnen ausgeübt. Die Behauptungen vom MDR, dass Polen für den Holocaust mitverantwortlich ist, dass Polen mehr Juden als Deutsche umgebracht haben und Ihre Zahlenjonglerei entsprechen nicht der historischen Wahrheit.

Der Historiker Zaremba, auf den sich der MDR beruft, erzählt auch nichts über die Hintergründe des polnischen Antisemitismus vor dem Zweiten Weltkrieg. Dieser Antisemitismus hatte jedoch nichts mit der Rassenideologie der Nationalsozialisten zu tun, sondern hatte einen ökonomischen und sozialen Charakter. Viele von diesen vermeintlichen Antisemiten wie Jan Mosdorf, ein polnischer Publizist, Politiker und Philosoph oder der polnische Franziskaner und Publizist Maximilian Maria Kolbe, beide selbst Opfer des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz, haben während des Zweiten Weltkrieges Juden geholfen (alleine Kolbe hat in seinem Kloster ca. 2.000 Juden das Leben gerettet).

Polish Media Issues erwartet, dass der MDR bei der Recherche zu solchen Themen wie der vermeintlichen Rolle von Polen am Holocaust mehr journalistische Sorgfalt, Sensibilität und auch mehr Verständnis für die eigene Geschichte zeigt, statt pauschal falsche Behauptungen, Zahlen und Parolen wie „Die vierte Phase des Holocausts" und „Mitschuld an der Massenvernichtung?“ zu verbreiten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Marek Błażejak

Hamburg

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