Ein vergessenes historisches Magdeburger Ereignis

przez Bernd Rauchensteiner

Pilsudski-Haus in Magdeburger Zitadelle

Vor 98 Jahren, genau am 08.11.1918, fand in der Magdeburger Zitadelle ein Ereignis von europäischer, wenn nicht gar von weltgeschichtlicher Bedeutung statt – nachzulesen in Harry Graf Kesslers (1868-1937) ›Tagebuch‹, [Band 6].

Am 27.10.1918 erhielt Kessler von der schon im Umbruch befindlichen, noch kaiserlichen Regierung durch Ernst Freiherr Langwerth von Simmern (1865-1942), Wirklicher Geheimer Legationsrat, die Information, so Kessler, dass „…Piłsudski (1867-1935) noch in Magdeburg sitzt. Langwerth meinte, wenn Piłsudski befreit werde, sollte ich als alter Waffenkamerad hingeschickt werden – Kessler und Piłsudski lernten sich im 1.Weltkrieg an der Ostfront während der Schlacht in den Karpaten vom Dezember 1914 bis März 1915 und in der Schlacht von Czartorysk (heute, ukr. Старий Чорторийськ am Ufer des Styr in der Oblast Wolhynien) vom Oktober bis Dezember 1915 [Band 5] kennen; Kessler war zu dieser Zeit Verbindungsoffizier zu den Österreichern – , um ihm seine Befreiung anzuzeigen und seinen Degen zu überreichen. Ich könnte ihm dann sagen, dass ich mich ihm zur Fortsetzung unserer 1915 unterbrochenen politischen Gespräche zur Verfügung stelle, sobald er frei auf eigenem Boden sei… Hatzfeldt (Hermann, 1848-1933) meint, Piłsudski werde allmählich in Magdeburg eine größere Gefahr für uns (Deutsches Reich), als er (Piłsudski) in Warschau sein würde; er neige daher dazu, ihn zu befreien…“. So fanden am 31.10.1918 die ersten Sondierungsgespräche zwischen Kessler und Piłsudski statt, im direkten Auftrage des Reichskanzlers und des Kriegskabinetts. Kessler beschreibt sehr bildhaft die Situation Piłsudskis in der Zitadelle und sein Äußeres.

Piłsudski soll gesagt haben: „…Deutschland und Polen seien Nachbarn. Nachbarn vertrügen sich immer schlecht; trotzdem seien sie aufeinander angewiesen. Vielleicht wäre es besser für die Polen, wenn die Deutschen ganz vertilgt würden, oder für die Deutschen, wenn die Polen ganz verschwänden. Aber Millionenvölker vernichte man nicht. Und ebenso wenig könnten sie auswandern. Deutsche und Polen seien und blieben Nachbarn. Beide brauchten nach dem Kriege eine lange Ruhe…“.

Aufgrund Kesslers Berichtes kam es zur Piłsudskis Entlassung aus der Internierung am 08.11.1918. Kesslers Eintragung kann man entnehmen, dass durch die ausgebrochene Novemberrevolution von 1918/19 Chaos auch im Bahnverkehr entstanden war.

Zum 08.11.1918 kann man bei Kessler nachlesen: „…Schloßmann (1880-1945), Bewachungsoffizier von Piłsudski, kam morgens um 8½ um mir zu sagen, dass der Bahnverkehr mit Berlin unterbrochen sei. Ich beschloss, ein Militär-Auto zu requirieren und Piłsudski im Auto nach Berlin zu bringen. Während Schloßmann telefonisch deshalb verhandelte, kamen Nachrichten, dass sich ein großer Demonstrationszug auf dem Breiten Weg gebildet habe, dass Offizieren die Achselstücke abgerissen und der Degen abgenommen würden. Die Arrestlokale seien gestürmt und die Gefangenen befreit worden. Offenbar war es höchste Zeit, wenn ich Piłsudski überhaupt aus Magdeburg hinausbringen wollte. Ich ging daher zum Kommandanten der Kraftfahrtruppen, dem Rittmeister van Gülpen (Daten mir unbekannt), und bat diesen, mir sofort ein Auto zur Verfügung zu stellen…,…Gülpen sollte das Auto aus der Stadt bringen und an der Berliner Chaussee jenseits der Elbe warten, während ich mit Schloßmann in die Festung ging und Piłsudski befreite. Da man als Offizier nicht mehr unbelästigt über die Straße gehen konnte, zogen Schloßmann und Gülpen sich in Zivil um; ich lieh mir von Gülpen wenigstens einen Zivilmantel und Zivilhut. In diesem Aufzuge gingen Schloßmann und ich durch Seitenstraßen zur Zitadelle. Hier war alles ruhigWir hielten uns nicht auf, sondern eilten über den Hof, zum Hause, in dem Piłsudski und Sosnkowski (Kazimierz, 1885-1969) interniert waren. Beide gingen zusammen im Garten auf und ab; Piłsudski in polnischer Uniform, Sosnkowski in Zivil. Ich trat auf sie zu und sagte, ich freue mich, ihnen sagen zu dürfen, dass sie frei seien. Der Reichskanzler und die Regierung hätten auf Grund des Berichtes, den ich ihnen über mein Gespräch mit Piłsudski erstattet hätte, und der darin zum Ausdruck gekommenen Gesinnung Piłsudskis, seine Freilassung beschlossen und mich beauftragt, ihm davon Mitteilung zu machen, sowie ihn und den Obersten Sosnkowski nach Berlin zu bringen, damit sie von dort noch heute Abend nach Warschau führen. Piłsudski und Sosnkowski verbeugten sich schweigend, während ich ihnen die Hand drückte. Jetzt musste ich ihnen noch sagen, dass der Eisenbahnverkehr mit Berlin unterbrochen sei, dass es in der Stadt Demonstrationen stattfänden, wir daher zu Fuß über Elbbrücke und bis auf die Berliner Chaussee hinausgehen müssten, wo uns ein Auto erwarte. Sie möchten das Nötigste zusammenpacken und gleich mitkommen. Schloßmann, der befürchtete, dass die Meuterer die Zitadelle stürmen könnten, mahnte zur Eile. In einer Viertelstunde hatte jeder sein Päckchen gepackt, und wir zogen, Piłsudski mit mir, Sosnkowski mit Schloßmann, zur Zitadelle hinaus, die allgemeine Neugier der herumstehenden Soldaten er-regend. Piłsudski ging in seinem alten abgetragenen Soldatenmantel, eine Decke über dem Arm, etwas gebeugt neben mir, nachdenklich und ernst. Er meinte, wir hätten zu lange gewartet; er kenne die Psychologie der Revolution: man müsse entweder sofort energisch unterdrücken [er machte mit der Faust eine Handbewegung] oder sofort Konzessionen machen. Jetzt sei es schon für beides zu spät. Deutschland werde schwere Zeiten durchmachenHinter einer Vorstadt stand Gülpen und führte uns zum Auto. Schloßmann verabschiedete sich; der Wagen wurde angekurbelt, wir fuhren los…“.

Diese Begebenheiten werden in Schriften von Piłsudski, als auch von Sosnkowski bestätigt und sind auch in der ›Frankfurter Zeitung‹, Nr. 752 vom 07.10.1928 unter dem Titel „Aus den Anfängen der Novemberrevolution“ nachzulesen.

Die Fahrt ging auf der heutigen, fast identischen B1 nach Berlin mit einer Rast in Genthin, „…machten wir Halt bei einem Molkereibesitzer Ballhöfer, der auf Gülpens Weisungen ein Mittagsmahl gerüstet hatte, friedensmäßig, mit schöner reichlicher Butter, einer Milchsuppe, Fleisch, Käse, Sahne zum Kaffee. Wir saßen im Molkereigebäude im oberen Stock, Piłsudski lag glücklich in einem bequemen Rohrstuhl, Sosnkowski meinte, es sei ein Märchen, „Tischleindeckdich“. Die ländliche Opulenz und Gastfreundschaft wirkte wie der schöne Tag, entspannend…“

In Berlin war die Situation noch dramatischer als in Magdeburg. Kessler musste Piłsudski und Sosnkowski mitteilen, dass sie „… heute nicht weiterreisen könnten, da der Eisenbahnverkehr eingestellt sei. Zimmer seien im Continental bestellt. Piłsudski und Sosnkowski waren sehr niedergeschlagen, als ich ihnen dieses mitteilte. Piłsudski seufzte: „Einen Tag zu spät“; Sosnkowski fragte, ob sie nicht morgen auf einem Extrazuge oder Auto wenigstens bis an die Grenze kommen könnten? Ich brachte sie ins Continental. Beim Abschied bat mich Piłsudski ob ich ihm nicht einen Degen verschaffen könne, da er in Uniform ohne Degen hier nicht ausgehen könne? Ich sagte, ja, aber allerdings nur einen preußischen, wenn ihn das nicht störe? Nicht im Geringsten, antwortete er. Ich versprach ihm einen morgen früh zu bringen…Der Diener, dem ich den Auftrag gegeben hatte, mir für Piłsudski einen Degen zu besorgen, wartete am Continental, um mir zu sagen, dass alle Waffen in den Geschäften beschlagnahmt, ein Degen deshalb nicht zu bekommen sei. Ich ging zu Piłsudski, sagte es ihm, schnallte mein altes Feldzugs-Seitengewehr ab und gab es ihm als Erinnerung an unsere frühere Waffenbrüderschaft. Wir sprachen dann noch einmal in Anwesenheit von Sosnkowski über Politik…“

Seltsamerweise findet man im Kesslers Tagebuch keine Eintragungen über Piłsudskis Abreise mit dem, von Kessler organisierten Sonderzug.

Erst am 11.11.1918 kann man folgende pessimistische Eintragung lesen…in Polen sei auch überall Revolution, Arbeiter- und Soldatenräte hätten sich gebildet, in denen deutsche mit polnischen Soldaten zusammensäßen, Piłsudski sei angekommen, habe die Bewegung aber nicht mehr in der Hand: zu spät…Aber bereits am 13.11.1918 ist man wieder optimistisch und es heißt, Hatzfeldt ist…über Piłsudskis Tätigkeit in Warschau sehr erfreut; Piłsudski ist vom Regentschaftsrat als eine Art von Diktator eingesetzt und hat als erste Amtshandlung den deutschen Soldaten die Waffen wiedergegeben. Wenn er so weiter regiert, ist meine Politik glänzend gerechtfertigt…“

Wie der Informationsfluss in diesen Revolutionstagen war, zeigt ein Gespräch mit Kessler, dass am 10.11.1918, einem Sonntag, Liebknecht (Karl, 1871-1919) einen wüst aussehenden „Hauptmann Wagner“ zum Reichskanzler Ebert (Friedrich, 1871-1925) geschickt [habe] mit einem roten Zettel, auf dem sofortige Gestellung eines Autos zur Befreiung von Piłsudski verlangt wurde und der Informant sagte, dass Ebert sagen konnte, dass „…Piłsudski längst in Warschau sei…“

Die Entlassung von Piłsudski aus der Internierung am 08.11. und seine Ernennung am 11.11.1918 durch den Regentschaftsrat zum Oberbefehlshaber der polnischen Truppen und die Übertragung der Führung des polnischen Staates, verdeutlichen eigentlich den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Freilassung Piłsudskis in Magdeburg und der Ausrufung der 2. Republik Polens. Eine Randbemerkung: Bereits am 14.11.1918 wird Kessler die Gesandtschaft in Polen angetragen – dieses wäre ein anderes, sehr interessantes Thema, weil es einige Probleme, die Piłsudski zu meistern hatte, beleuchtet.

Den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Entlassung und Gründung der 2. Republik sehen jedenfalls die polnischen Historiker und auch das polnische Volk. Nur in Magdeburg ist dies alles verloren gegangen. Warum wird das Potential dieses historischen Ereignisses nicht wahrgenommen?

Wer ist dieser Józef Klemens Piłsudski, wer ist diese „umstrittene“ Persönlichkeit?

Marschall Józef Pilsudski

In der Literatur, die Quellen dazu liegen hauptsächlich in der kommunistischen Ära, finden wir oft die Formulierung: Piłsudski ist eine umstrittene Persönlichkeit, und das klingt noch sehr harmlos! So liest man im ›Meyers Neues Lexikon‹ (DDR-Ausgabe) „…polnischer reaktionärer Politiker…1892 Mitbegründer der PPS, 1914/17 Kommandeur der Polnischen Legion, 1918/22 Staatschef Polens und Oberbefehlshaber der Armee, in dieser Funktion hauptverantwortlich für den Überfall auf Sowjetrussland (1920) und den Raub sowjetischer Gebiete; errichtete 1926 eine faschistische Diktatur. Trotz des 1932 auf Druck der polnischen Werktätigen mit der UdSSR abgeschlossenen Nichtangriffspaktes näherte sich P., ein fanatischer Feind der UdSSR, Hitlerdeutschland und schloss 1934 ein Abkommen mit den deutschen Faschisten“.

In einem russischen Lexikon kann man dagegen lesen (Übersetzung): „…polnischer Staatsmann, Marschall (1920). Einer der Führer der Polnischen Sozialistischen Partei. Während des 1. Weltkrieges Kommandant der Polnischen Legion, kämpfte auf Seiten von Österreich-Ungarn gegen Russland. In den Jahren 1919-22 Staatsoberhaupt (Staats-«Chef»). Nach dem durchgeführten Umsturz im Mai 1926 installierte er ein autoritäres Regime, wirkte in der Funktion als Kriegsminister (bisweilen auch als Premierminister)“. Kein Wort von „Reaktionär“, oder von „faschistischer Diktatur“, stattdessen ein „autoritäres Regime“.

Aus diesem Grund sollten wir uns zunächst die Frage stellen: Welche Persönlichkeit ist nicht umstritten? Meiner Auffassung nach – alle sind umstritten! Die ganze Welt- und Religionsgeschichte besteht aus "umstrittenen" Persönlichkeiten. Jeder von uns kann, wenn er so will, sich selbst davon überzeugen. Die „Umstrittigkeit“ ist abhängig vom persönlichen Standpunkt zum Ereignis bzw. von der Sicht des Siegers bzw. des Stärkeren in der Geschichte über diese Ereignisse. Daraus sollten wir folgern, jeder von uns müsste sich befleißigen, die Geschichte zu studieren, sich mit ihr beschäftigen – auch unsere Politiker – und sich eine objektive Meinung bilden. Unsere Zeit gibt jedem die Möglichkeit, die Geschichte zu hinterfragen, ob digital oder in den Bibliotheken, aber dabei sollte man auch skeptisch sein und versuchen „zwischen den Zeilen zu lesen“.

Aus Zeitgründen möchte ich hier nur zwei Beispiele zum Begriff „Umstrittigkeit“ anreißen.

Nehmen wir uns Bismarck (Otto von, 1815-1898), auch der „Eiserne Kanzler“ genannt, vor. Der Begriff, der „Eiserne Kanzler“, besagt schon, dass er auch für Deutsche nicht unumstritten ist. Bismarck gilt als der „Schöpfer“ des Deutschen Reiches, Gründer des Sozialversicherungssystems und Verfechter der Gleichgewichtspolitik. Die deutschen Sozialdemokraten, als auch Katholiken sehen ihn nicht ganz so positiv. Und die Franzosen und Polen? Bestimmt noch negativer.

Aus der neueren politischen Welt möchte ich die amerikanischen Politiker außen vor lassen und mir nur Churchill (Winston, 1874-1965) herausgreifen. Er gilt als bedeutendster britischer Staatsmann des 20. Jhs – so sehen ihn vor allem die Britten, aber viele Deutsche, auch andere Nationalitäten, wie Kubaner, Sudanesen und die Buren in Südafrika, sehen ihn anders. Besonders die Polen sollten die Rolle des bedeutendsten britischen Staatsmannes des 20. Jhs. hinterfragen. Churchill verkaufte die Polen an Stalin, als noch viele Polen ihr Leben bei Monte Casino verloren, und zur Erinnerung: Wie war sein Verhalten in der Katyn-Frage oder warum liegen die Vorgänge des Flugzeugunfalls von Gen. Władyslaw Sikorski (1881-1943) am 04.07.1943 noch bis 2041 unter Verschluss? Wer nichts Unrechtes tat, muss keine Akten - noch 25 Jahre lang - im Tresor verschließen lassen!

Betrachten wir Józef Piłsudski mit den Augen unserer heutigen Moralvorstellung – die auch sehr viele Mängel aufzuweisen hat – stellen wir natürlich auch Fehlbarkeiten fest. Aber mit den Augen jener Zeit waren es Normalitäten. Ich meine seine Teilnahme an Bank- und Bahnüberfällen - mir ist nur eine persönliche Teilnahme bekannt. Eine solche Teilnahme galt auch als „Ehrenkodex“ und diese diente nicht der persönlichen Bereicherung, sondern zur Beschaffung von Geldern für den Freiheitskampf und zur Unterstützung von Familienangehörigen Inhaftierter.

Es gab im dreigeteilten Polen zwei Hauptakteure des Kampfes um die polnische Selbstständigkeit, Roman Dmowski (1864-1939) und Józef Piłsudski. Fakt ist, dass sich Dmowski während des 1.Weltkriegs mehr oder weniger in Paris „vergnügte“, während Piłsudski seine Gesundheit und sein Leben aufs Spiel setzte, um aktiv für die Freiheit Polens zu kämpfen. Auch die dreiteilige Fernsehsendung von 3SAT vom 09.11. unterstrich die Bedeutung Piłsudskis im deutsch-polnischen Verhältnis.

Wenn man Piłsudski die negativen Probleme in Polen und das angeblich „negative“ Verhältnis zu den Deutschen zum Vorwurf macht - außenpolitisch trat er für eine Verständigung mit Deutschland ein, dieses belegen verschiedene Quellen – warum stellt man dann die Errungenschaften Polens zu seiner Zeit ihm nicht gegenüber? Welcher Staatsmann hat es bisher geschafft, in weniger als 20 Jahren, drei bedeutend unterschiedliche Landesteile zu einer Nation zu vereinen? Drei Landesteile mit komplett unterschiedlicher Infrastruktur! Warum werden die Kriegsschäden des 1.Weltkrieges, die auf dem damals „zukünftigen polnischen“ Gebiet nicht in Betracht gezogen? Warum wird nicht erwähnt, wie Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich sich der Ressourcen dieses Gebietes bedienten, es in eine Kolonie der Mittelmächte verwandelten und es hemmungslos auspressten? In der Literatur findet man recht wenig dar-über. Mir ist nur aus dem Werk ›Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburger-Monarchie‹ meines Namensvetters, Manfried Rauchensteiner, bekannt, was die k.u.k. Monarchie aus diesem Land „abführte“. Auch habe ich, wie andre, feststellen müssen – spricht man über den 1.Weltkrieg, geht es meist um die „Westfront“, die „Ostfront“ wird „stiefmütterlich“ behandelt.

Wir, die „Führungsnation“ unter Merkel in Europa, mit der „größten Wirtschaftskraft“ haben es – ohne Revolution und kriegerischen Auseinandersetzungen – in 25 Jahren nicht geschafft, die Unterschiede zwischen „Ost“ und „West“ auszugleichen – siehe nur als Beispiel die Löhne und Renten!

Harry Graf Kessler zeichnet sehr klar in seinem Tagebuch die Probleme auf, die Piłsudski zu bewältigen hatte, auch die innenpolitischen, gestört durch die Entente und die Nationaldemokraten von Dmowski. Dieses kam auch ansatzweise in der dreiteiligen Fernsehsendung vom 3SAT zum Ausdruck. Piłsudski hielt sich an seine Aussagen gegenüber den Deutschen.

Aus dem Tagebuch von Kessler geht klar hervor, wer die „Störenfriede“ gegen eine friedliche und freundschaftliche Verständigung zwischen Polen und Deutschen waren – bitte lest Kesslers Tagebuch – es waren nicht die Deutschen, es waren die Alliierten und die Nationaldemokraten Dmowskis! 1923 bildete Premierminister Wincenty Witos (1874-1945), Mitbegründer der polnischen Bauernbewegung, eine neue Regierung. Marschall Piłsudski, dessen Macht als Vorsitzender des Engen Kriegsrates (Ścisła Rada Wojenna) beschnitten wurde, trat als Generalstabschef zurück und zog sich in sein Landhaus in Sulejówek bei Warschau zurück.

Die Jahre vor und nach 1923 waren von wachsender Korruption, Ämterstreitigkeiten unter häufig wechselnden, instabilen Regierungen und von wirtschaftlichen Krisen geprägt – siehe auch die Weimarer Republik – ein kurzes Essay dazu.

Am Ende des 1.Weltkriegs verstanden es Hindenburg (Paul von, 1847-1934) und Ludendorff (Erich, 1865-1937) sehr geschickt, jede Mitverantwortung für diese Katastrophe weit von sich zu weisen. Stattdessen machten sie das Erlahmen der „Heimatfront“ sowie das Versagen der Parteien verantwortlich, die sie als „Novemberverbrecher“ diffamierten. Diese Sicht, die als „Dolchstoßlegende“ berühmt wurde, vertraten beide am 18.11.1919 vor dem Untersuchungsausschuss der Nationalversammlung. Auch später lehnten sie die Weimarer Republik ab. Dabei schreckte Ludendorff 1920 und 1923 vor der Anwendung von Gewalt nicht zurück. Seine Teilnahme am Hitler-Putsch und am Kapp-Putsch zeugen davon. Nach dem Bruch mit Hitler, der ihn 1925 bei seiner Kandidatur für das Amt des Reichspräsidenten nicht unterstützt hatte, zog sich Ludendorff enttäuscht aus der aktiven Politik zurück. Zur selben Zeit erlebte Hindenburg seine Wiederauferstehung. Am 27.04.1925 wurde er zum Reichspräsidenten gewählt. Das Amt bekleidete er bis zu seinem Tod am 02.08.1934. Mit der Übertragung der Kanzlerschaft an Hitler am 30.01.1933 trug er zur Entstehung des „Dritten Reiches“ bei. Die „Gottgesandten“ des Kaiserreichs, Hindenburg und Ludendorff, dürfen als Totengräber der Weimarer Republik angesehen werden.

Die wachsende Korruption und Ämterstreitigkeiten, sowie die politische Instabilität, waren der Grund des Maiputsches. Der Auslöser war die Ablehnung einer Regierungsbildung mit Aleksander Skrzyński (1882-1931) als Premierminister durch Staatspräsident Stanisław Wojciechowski (1869-1953).

Jetzt entschlossen sich die Anhänger Piłsudskis im Militär zu einem Staatsstreich, unterstützt von den Gewerkschaften und Kommunisten als auch Sozialdemokraten. Im Mai 1926 zwang Piłsudski an der Spitze ihm ergebener Regimenter den Staatspräsidenten und das Kabinett Witos zum Rücktritt. Piłsudski wurde erneut von der Nationalversammlung zum Staatsoberhaupt gewählt, verzichtete aber auf die weitere Präsidentschaft und überließ das Amt seinem treuen Kandidaten Ignacy Mościcki (1867-1946). Piłsudskis Maiputsch oder auch Staatsstreich, verhinderte eine analoge Entwicklung, wie in der Weimarer Zeit in Deutschland.

Ein Faschist war Piłsudski deshalb nicht, auch Antisemitismus spielte in der Politik Piłsudskis keine Rolle, obwohl das Gegenteil von einigen gern behauptet wird, wie z.B. von Herrn Kay Schweigmann-Greve (Daten mir unbekannt), Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Hannover.

Der Umbruch in der Außenpolitik kam erst nach dem Tod Piłsudskis am 12. Mai 1935, hauptsächlich durch britische Beeinflussung von Józef Beck, der von 1932–1939 polnischer Außenminister war.

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