Marianna Popiełuszko erzählt den Märtyrertod ihres Sohnes Jerzy (4)

przez Halina Morhofer-Wojcik

Warschau, 12. März 2013

Wir veröffentlichen heute dank ZENIT.org den vierten und letzten Teil des Interviews, das Włodzimierz Rędzioch mit Marianna Popiełuszko, der 92-jährigen Mutter des polnischen Märtyrers Jerzy Popiełuszko führte. Der dritte Teil erschien gestern, am 24. März.

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Wann haben Sie Ihren Sohn zum letzten Mal gesehen?

Marianna Popiełuszko: Im September. Er kam ohne Voranmeldung nach Hause. Er sprach nicht von sich, aber ich wusste, dass sie ihm folgten. Durch unser Hausfenster konnten wir die Autos mit den Agenten sehen. Aber Jerzy war mutig, auch wenn er körperlich schwach war. Er ließ mir sein Kleid zum Flicken da und sagte nur: „Ich hole es bei meinem nächsten Besuch wieder ab; wenn nicht, behältst du es als Andenken an mich.“ Als er sich verabschiedete sagte er noch: „Ich bitte euch: Sollte ich sterben, weint nicht um mich.“ Ich erstarrte, denn ich hatte ihn noch nie so reden hören.

Wann haben Sie entdeckt, dass ihm etwas Schreckliches zugestoßen sein musste?

Marianna Popiełuszko: Am Abend des 20. Oktober. Ich saß vor dem Fernseher und hörte den Nachrichtensprecher sagen, P. Jerzy Popiełuszko sei am Tag zuvor bei Toruń entführt worden. Niemand wusste, dass mein Sohn bereits tot war, deshalbmühten sich Vertreter der Kirche und einfache Leute ab, um ihn zu finden. Überall wurde für ihn gebetet; auch ich habe zuhause viel gebetet.

Am 30. Oktober wurde dann die Auffindung seiner Leiche in einem Stausee der Weichsel bekanntgegeben…

Marianna Popiełuszko: Ich habe es aus dem Fernsehen erfahren. Mein Mann hat angefangen zu weinen und laut zu klagen; ich saß still und wie versteinert da. Am nächsten Morgen hat mein Neffe, P. Gniedziejko, uns nach Warschau zur Pfarrkirche meines Sohnes gefahren, wo eine heilige Messe für ihn gefeiert wurde. Am folgenden Tag mussten wir dann nach Bialystok, wo die Autopsie durchgeführt wurde. Den Saal haben zuerst nur mein Sohn Józef und einige Priester der Diözese Warschau betreten. Ich habe an der Identifizierung des Leichnams nicht teilgenommen, denn das hätte mein Herz nicht verkraftet. Aber ich spürte, dass ich mich doch noch von Jerzy verabschieden musste. Ich ging etwas später mit meinem Mann hinein. Ich küsste ihm Hände und Füße, denn ich fühlte mich nicht würdig, sein geschundenes Gesicht zu küssen. In diesem Augenblick fühlte ich eine große Verbundenheit mit Maria. Sie hatte auch gelitten, als sie ihren toten Sohn sah, aber sie hatte dem Willen Gottes zugestimmt. Deshalb wusste ich, dass auch ich diesen Schmerz annehmen musste.

War es Ihnen jemals in den Sinn gekommen, dass Ihr Sohn, da er Priester war, als Märtyrer sterben könnte?

Marianna Popiełuszko: Selbstverständlich nicht. Aber heute denke ich, dass er wohl von Anfang an gewusst hat, dass dies eintreffen konnte, denn die Bereitschaft zum Martyrium ist Teil der Priesterberufung.

Warum haben Sie zugestimmt, dass Ihr Sohn in Warschau beigesetzt wurde, so weit von seinem Heimatort entfernt?

Marianna Popiełuszko: In Warschau hatte er gewirkt; er liebte die Menschen dort und hatte mit ihnen gelitten. Dort lebten auch viele Menschen, die in liebten und ein Recht darauf hatten, dass er bei ihnen blieb. Ich habe meinen Sohn dem kirchlichen Dienst in der Diözese Warschau geschenkt; deshalb gehörte er nach Warschau. Es war in einem ersten Augenblick erwägt worden, ihn im Friedhof Powązki beizusetzen (einem Monumentalfriedhof in Warschau), aber auf Bitten zahlreicher Menschen wurde er an der Kirche beigesetzt, an der er gearbeitet hatte.

Besuchen Sie das Grab Ihres Sohnes oft?

Marianna Popiełuszko: Lange Zeit bin ich jeden Monat hingefahren. Es waren immer viele Menschen dort, die eineKerze oder Blumen brachten. In letzter Zeit fahre ich seltener hin.

Jerzy ist als Märtyrer für den Glauben anerkannt. Sehen Sie ihn auch so?

Marianna Popiełuszko: Seit seinem Tod wird mein Sohn als ein Märtyrer verehrt, der sein Leben für den Glauben, das Kreuz, und aus Liebe zu seinem Vaterland hingegeben hat. Ich glaube, dass seine Mörder nicht gegen ihn, sondern gegen Gott selbst kämpften. Dieser Mord ist dem Hass gegen die Kirche und den Glauben entsprungen, und mein Sohn ist ein Opfer dieses Hasses.

Am Grab Ihres Sohnes haben Sie viele Mächtige dieser Welt getroffen: Ministerpräsidenten, Staatsoberhäupter…

Marianna Popiełuszko: Das stimmt; die wichtigste Begegnung war für mich jedoch die mit Papst Johannes Paul II. bei seinem Besuch in Polen 1987. DerPapst hat lange am Grab meines Sohnes gebetet; dann hat er den Grabstein geküsst. Am Ende hat er mich umarmt, meinen Kopf geküsst und gesagt: „Mutter, du hast uns einen großen Sohn geschenkt“. Ich habe geantwortet, Gott habe ihn uns geschenkt, wenn auch durch mich. Dann habe ich mich hingekniet, habe dem Papst die Hand geküsst und ihn um sein Gebet für Jerzy gebeten.

Was hat der Papst geantwortet?

Marianna Popiełuszko: Er hat mir versichert, er werde an ihn denken. Ich war gerührt und glücklich, denn der Papst hatte mir bestätigt, dass mein Sohn den rechten Weg im Leben gewählt hatte.

Ende 1984 wurden die Mörder Ihres Sohnes, alles Beamte des Geheimdienstes, vor Gericht gestellt. Haben Sie den Prozess verfolgt?

Marianna Popiełuszko: Mein Arzt riet mir davonab, weil ich ein schwaches Herz habe. Außerdem musste ich mich damals um meine Schwiegertochter kümmern, die schwanger war, und auch um den Hof, denn meine Söhne nahmen am Prozess teil. Ich will niemanden verurteilen: Gott selbst wird eines Tages ein Urteil fällen. Aber es wäre schön gewesen, wenn die Mörder Reue gezeigt hätten. Mein Mann und ich haben ihnen jedenfalls vergeben.

Seit seinem Tod steht Jerzy im Ruf der Heiligkeit. Viele Menschen haben erklärt, durch seine Fürsprache eine Gnade erfahren zu haben. Deshalb wurde 1997 sein Seligsprechungsverfahren eingeleitet. Haben Sie in diesem Verfahren ausgesagt?

Marianna Popiełuszko: Als das Seligsprechungsverfahren eingeleitet wurde, war ich sehr glücklich. Ich habe an mehreren Tagen als Zeugin ausgesagt. Man hat mir viele Fragen über Jerzys Leben gestellt: über seine Kindheit, seine Jugend und die Jahre im Seminar. Als das Diözesanverfahren abgeschlossen wurde, dankte ich Gott und dachte bei mir, dass so Gott wollte, ich vielleicht die Seligsprechung meines Sohnes noch erlebt hätte.

Und Sie haben sie erlebt: am 19. Dezember 2009 verkündete Papst Benedikt XVI. das Dekret über den Märtyrertod des Dieners Gottes Jerzy Popiełuszko; die Seligsprechung selbst fand am 6. Juni 2010 in Warschau statt. Vor der Messe haben Sie mit den auf dem Piłsudski-Platz versammelten Menschen den Rosenkranz gebetet. Es waren 150.000 Gläubige, darunter 100 Bischöfe und 1.600 Priester…

Marianna Popiełuszko: Es war ein großer Tag für mich. Die Rede, die Kardinal Angelo Amato aus demVatikan hielt, berührte mich tief. Dann kam der Erzbischof von Prag, Dominik Duka, Primas der Tschechischen Republik zu mir und bat mich um meinen Segen: Ich war gerührt, denn in diesem Augenblick fühlte ich mich wirklich wie die Mutter eines Seligen.

Beten Sie zu Jerzy?

Marianna Popiełuszko: Ich bete zu Gott. Die Heiligen und Seligen kann man nur um ihre Fürsprache bitten. Ich habe durch die Fürbitte von P. Jerzy viele Gnaden erfahren dürfen.

Was ist Ihrer Ansicht nach die wichtigste Botschaft von Jerzy?

Marianna Popiełuszko: „Bekämpfe das Böse mit dem Guten“. Wenn die Menschen diese Weisheit in Tat umsetzen würden, wären sie besser, und auch die Welt wäre ein besserer Ort.

Sie sagen oft, dass Sie ein „gutes Leben“ hatten. Woher nehmen Sie diesen Optimismus?

Marianna Popiełuszko: Ich bin einfach glücklich, weil das Leben gut ist, so wie es ist. Unser Leben liegt in Gottes Händen, und Gott weiß, was er tut. Natürlich gibt es im Leben Schmerzen, aber wenn man sie Gott weiht, erhalten auch die Schmerzeneinen Sinn. Ohne das Kreuz kann man nicht in den Himmel kommen: Wer unter Tränen aussät, wird Freude ernten.

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